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Friederike von RaucH

Sleeping Beauties

 

22.02. - 21.04.

 

 

Nichts weist darauf hin, dass es sich um den Cranach-Saal der Dresdener Gemäldegalerie Alter Meister handelt, so verdichtet wurde das Bild des Raumes auf ein Filtrat karger Gegebenheiten; das Resultat eines geduldigen Prozesses aufmerksamen Wartens und Schauens. Nachdem die alle Details schluckende Dunkelheit die besucherfreien Museumsräume in Besitz genommen hat, wird der Blick frei auf Residuen: durch offene Saaltüren einfallende und sanft über das Parkettmuster fließende, stumm sich begegnende Lichtbahnen. Kaum noch auszumachen sind die dekorative Kassettendecke und die durch verstreute Lichtschimmer erahnbaren Kunstwerke an den Wänden; die Gemäldegalerie im Ruhezustand.

 

Die Fotografie zieht den Betrachter in ihren Bann, als öffne sich ein Raum der Stille und Kontemplation. Die Abwesenheit der Besucherströme und der Opulenz der Kunstwerke lässt uns mit dem Verbleibenden zurück: für sich stehende und zu sich kommende Fragmente der Erstarrung und Verwandlung, die ruhevolle Stimmung eines der Gegenwart enthobenen, fast sakralen Raumes.

 

Diese wie eine einladende und sich zugleich verweigernde Eröffnungsszenerie zu der fotografischen Arbeit Sleeping Beauties von Friederike von Rauch besitzt jedoch eher Ausnahmestatus. Vorzugsweise konzentriert sich die Künstlerin auf Nebenschauplätze, Nischen und Details, Verborgenes, Durch- und Übergänge, die Verlockungen der Transformation, die Mehrdeutigkeit temporärer Konstellationen.

 

Im Rahmen ihres Projektes spürte Friederike von Rauch seit Anfang 2011 unterschiedliche Raumsituationen auf, u.a. im Königlichen Museum für Schöne Künste in Antwerpen, in der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden und im Neuen Palais in Potsdam, sowie in Venedig, wo sich die Gelegenheit bot, die Restaurierung eines Gemäldes von Tizian in der Accademia di Belle Arti fotografisch zu begleiten. Immer sind die Fotografien außerhalb des Alltagsbetriebs und der regulären Öffnungszeiten, etwa während einer Wartungs- oder Restaurierungsphase, erstellt worden, ohne in die gegebene Ordnung der Dinge einzugreifen.

 

In der betonten Fokussierung auf Leerstellen sind verhaltene, stille Raumporträts entstanden, geprägt von einer subtilen, zur Monochromie tendierenden Tonwertskala, die die atmosphärische Verdichtung der Bildaufnahmen akzentuiert.

 

Fern jeglichen essayistischen Ansatzes gelingt es den Fotografien von Friederike von Rauch, den Sujets durch die prononcierte inhaltliche wie kompositorische Abstraktion eine konzentrierte, traumartige Rätselhaftigkeit zu verleihen. In der konsequenten Abwesenheit der menschlichen Gestalt und der Ausklammerung des Illustrativen bleibt letztlich nur die Spur des Menschen und seiner Eingriffe. Die Fotografie wird zur malerischen Organisation der farblichen und haptischen Eigenwerte dieser Spuren und Zeichen und deren Zusammenspiel in jeweils vorgefundenen und neu zu erfindenden Licht-Räumen.

 

Vorzugsweise werden beiläufige Details und Strukturen durch eine besondere Blickrichtung in den Vordergrund gerückt und mit dem räumlichen Kontext und den benachbarten Objekten in unvermittelte Spannungsverhältnisse gebracht. In dieser bühnenhaften Atmosphäre der Surrealität verselbständigen sich die zusammengeführten Einzelelemente zu einem Rendezvous: Rhythmus und Lichtspiel von Schutzfolien verschmelzen mit der Gemäldekomposition zu unerwarteten Texturen. Die isolierte Figurengruppe eines Gemäldes wird mit augenzwinkernder Doppelbödigkeit ausschnitthaft ins Blickfeld geholt und begegnet uns so, als würde sie sich aus dem Bildraum heraus Orientierung suchend im leeren Museumssaal umschauen. Der Zoom auf die untere linke Seite von J. H. Füsslis Gemälde „Hero, Ursula und Beatrice“ lässt bei Ausblendung des eigentlichen Bildinhaltes und mittels der fotografisch akzentuierten Haptik von Goldrahmen und Leinwandstruktur unseren Blick wie einen Scanner an den offen gelegten Alterungserscheinungen des Gemäldes entlang fahren.

 

Dieser vom Alltäglichen und „Eigentlichen“ abweichende Fokus findet im Beiläufigen eine neue poetische Essenz. In der Entleerung ihrer Sujets kommt von Rauch dem Ausdruck des Raumes nahe. Die Klarheit der Bildanlage macht das Abtasten des architektonischen Körpers möglich, der Raum wird zur Landschaft.

 

Der jegliche Dramatik meidende Minimalismus versteht sich als Abenteuer der Bildfindung: „Architektur kann als Landschaft und Landschaft als Architektur verstanden werden. Die Faszination für diese Wechselwirkung räumlichen Erlebens steht im Mittelpunkt meiner fotografischen Arbeit. (…) Abnutzung deutet auf Gewohnheiten und eingeübte Wege. Ordnung der Dinglichkeiten zeugt von Hingabe und Disziplin. Gemeinsam mit meiner Kamera erforsche ich. Sie ermöglicht mir, selbst zum Raum für Räume zu werden, Räume in mir wachsen zu lassen.“ (F. v. Rauch)

 

Thomas Appel

 

Fotografien © Friederike von Rauch

 

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