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Gerhard Vormwald

Die Autonomie der Dinge - Arbeiten mit Fotografie 1985 -2008

 

16. April - 22. Juni 2008


 

„Seit Jahren geistern durch meine fotografischen Arbeiten, welche sich in verschiedenen Werkgruppen mit dem Thema Nahrungs- und Genussmittel auseinandersetzen, immer wieder Kartoffeln, Kippen, Kerzen, sowie Weinflaschen und Gläser. Diese an und für sich banalen Dinge habe ich auf Grund täglich erlebter Konfrontation mit ihnen, zu meinen Zeichen erklärt. In absichtsloser, spontaner Vorgehensweise habe ich versucht, mit einfachen Mitteln die Autonomie der Dinge in ihren seltsamen Bezugsverhältnissen zueinander und im Raum zu ergründen. In einer ruhigen, fast meditativen Arbeitsatmosphäre habe ich den Dingen die Gelegenheit gegeben, ihr zweites Gesicht zu entbergen. Dadurch wird unser Wissen über sie, sowie das uns vertraute Wesen ihres Zuhanden-Seins in Zweifel gestellt.“

Gerhard Vormwald, Paris, Juni 1995

 

 

Der unhintergehbare Zauber der Dinge

 

Sobald  sich der Mensch der diffusen Welt der Dinge annähert und danach trachtet, sich in ihr zu behaupten, tut er dies, indem er Ordnung schafft. In dem, was er dabei um sich gruppiert, sieht er primär das Spiegelbild seiner selbst. Ja, er nimmt eine Vermenschlichung der Dinge vor, indem er sie auf sich bezieht, indem er ihnen seinen Stempel aufdrückt und sie hinsichtlich ihres Für-Ihn-Seins untersucht.  Dabei erfasst er weder das von ihm entfernte Wesen des Anderen oder Fremden noch das Ding an sich, sondern immer nur die darin steckenden oder angelegten, ihm dienenden oder helfenden Möglichkeiten.

 

Solange die Dinge ihm zur Hand sind, erscheinen sie ihm vertraut, und weil das Unvertraute Angst oder Ekel einflößt, überführt der Mensch die Dinge in seinen von Zwecken bestimmten Kosmos. Dort weist er ihnen entweder einen Gerbrauchs- oder einen Tauschwert zu. Sobald die Dinge sich nach ihm zu richten scheinen und der Mensch diese nicht mehr als etwas von ihm Losgelöstes und Unabhängiges erfährt, glaubt er, über sie zu triumphieren und im Besitz der Macht zu sein. Die Beziehungen, die er zu den Dingen aufnimmt, bestätigen ihn in seiner Souveränität.

 

Was aber passiert, wenn die Dinge ihm entgleiten, sie nicht länger mehr für ihn da sind, sondern sie sich von ihm abwenden oder vor ihm fliehen, wenn das Subjekt-Objekt-Verhältnis  gekündigt oder hinfällig ist?  Was ist mit den Dingen, wenn sie keinen Zweck mehr erfüllen und wenn sie nur noch das sind, was sie von sich aus sind? Diese dem Menschen entgehende Autonomie der Dinge ist es, die den Fotograf und Künstler Gerhard Vormwald zu immer neuen Bildern und immer anderen Inszenierungen treibt. Im Grunde ist er einer, der, mit den Dingen experimentierend, schaut, wie sie sich unter immer neuen  Bedingungen verhalten, was sie über sich sagen. Deren andere Semantik ist Gegenstand seiner Betrachtung.

 

Dabei macht er nicht etwa Gebrauch von Gegendständen, denen etwas Besonderes anhaftet. Im Gegenteil: Es ist das ganz und gar Banale, dem er nachgeht und das er zu Zeichen erklärt, indem er, auf dieses verändernd einwirkend, es in Zusammenhänge rückt, die den Dingen eine seltsame Aura verleihen. Ob er  einen Löffel so biegt, dass er zu einem Kartoffelständer mutiert, und ob er ein Ei auf eine Gabel spießt, oder ob er Kartoffel um einen brennende Kerze so kreisen lässt, dass die Szene etwas Magisches umweht.

 

Ob er eine Kiste baut, durch dessen kreisrundes Fenster ein Lichtstrahl auf einen Zigarettenkippenhaufen fällt, der wie eine Raumschräge wirkt. Ob er Maschinen baut, um schnell bewegte Objekte, Flüssigkeiten oder sonstige Materialien im Raum auf widersinnige, der Logik widersprechende Weise schweben zu lassen. Ob er ein Stillleben mit Reis inszeniert, der in seiner Turbogeschwindigkeit still gestellt ist. Ob er allerlei Gemüse zu einem Flugkörper werden lässt, der einem Lichtloch entsteigt. Ob er diverse Zigarettenpackungen zu einer bizarren Landschaft vor blauem Himmel mit Schmetterlingen versammelt oder ob er Stühle zu Pyramiden türmt, die Dinge entfalten nicht nur ein abstruses, ein magisches oder sonderbares Eigenleben. Es kommt uns Betrachtern  so vor, als beträten wir eine Traumwelt fern der Menschheit. Hier scheinen  alle Gesetze aufgehoben, ein unkonventionelles Sehen ohne Ufer möglich zu sein. Angesichts der unendlichen Metamorphosen der Dinge, die  zu surreal anmutenden Symbol- und Bedeutungsträgern geworden sind, stößt die instrumentelle Vernunft an Grenzen, die vom Auge überschritten werden. Nicht der Tod der Dinge wird hier erklärt,  sondern deren Unheimlichkeit ausgerufen. Dank der Zauberei eines aus den festgefahrenen Bahnen ausgebrochenen Künstlers bekommt das Ding mehr Dichte.

 

Biografie


*1948 in Heidelberg.

1966–71 Kunststudium an der Freien Akademie Mannheim Meisterschüler bei Prof. Hans Nagel. Fotograf am Nationaltheater Mannheim. Auslandsreisen und erste Fotoinszenierungen.
1983
Übersiedlung nach Paris.
Bis 1991 Werbekampagnen, Magazintitel und Fotoillustrationen auf internationaler Ebene.
Ab 1984 parallel zur Fotografie, Wiederaufnahme von malerischen und zeichnerischen Tätigkeiten.
1988 Eröffnung des Landateliers „Le Couéche“ südl. von Paris.
Ab 1990 Ausstieg aus der professionellen Fotografie. Neben fotografischen Arbeiten entsteht Malerei, Druckgrafik, Objekt und Text.
Ab 1991 Einbezug von digitalen Medien in Bildkonzepte.
Ab 1999 Professor für Fotografie an der FH-Düsseldorf.
Lebt in Düsseldorf, Paris und auf „Le Couéche“

 

 

Gruppen- und Einzelausstellungen (Auswahl)

 

1990 Deutsche Fotografie, Haus des Malers, Moskau

Werkschau, Nikon-Galerie, Zürich

1991 De la Reclame à la Publicité, Centre Georges Pompidou, Paris

Die Bildermacher, Kunstverein Karlsruhe, Museum f. Buchkunst, Leipzig

1992 2. Internationale Foto-Triennale Esslingen

Bilder von Menschen und Objektinszenierungen, Blickle Stiftung,

Kraichtal (Kat)

1993 Pixel (Scannerfotos), Museum f. Kunst u. Gewerbe, Hamburg
Gerhard Vormwald Pinacoteca do Estado, Sao Paulo

1994 Neue Arbeiten m. Fotografie, Kunstverein Speyer. Photofiction, Galerie Ivonamor Palix, Paris

1995 Autonomie der Dinge, Galerie In Focus, Köln

1996 Neue Arbeiten mit Fotografie, Galerie im Körnerpark, Berlin

1997 Fotopapier ist geduldig Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg
Das Portrait im 20. Jahrhundert, Raab-Galerie, Berlin

Fotoarbeiten zum Wein, aus der Serie die Nahrungs- und Genussmittelmonumente. Galerie der Stadt Fellbach, Fellbach

1998 Gerhard Vormwald, In vehementem Vorwärtsdrängen, Arbeiten mit

Fotografie, Fotografie-Forum International, Frankfurt

1999 Oeuvres photographiques 1994-98, Le Credac, Ivry sur Seine, Paris

Video Virtuale-Foto Fictionale, Museum Ludwig, Köln

Table Manners, Kunsthalle Bremen

2000 Lachen, Galerie am Chamissoplatz, Berlin

2001 Arbeiten mit Fotografie, Kunsthalle Mannheim.

Die Mannheim-Bilder, Galerie Falzone, Mannheim.

2002 Blind Date Essentials und andere Bildpaare, PPS-Galerie, Hamburg

Blind Date Essentials und andere Bildpaare, Galerie In Focus, Köln

2004 Enthüllt-Exposed, Das Aktbild in der Fotokunst des 20. Jahrhunderts

Städtische Museen Heilbronn.

En parallèle 1 -objets, dessins, installations, Galerie d´Art Contomporain, Hotel de Ville, Besancon

2005 En parallèle 2 - photographies, Ecole de Beaux-Arts Besancon

Das Medium ist ein Medium ist ein Medium, Installation, Fotografie

Malerei, Zeichnung; Städtische Galerie Erlangen

Vormwald-Kleine Retrospektive, Internationale Fototage Mannheim im Faktorhaus Ludwigshafen.

2006 SZeitensprünge, Arbeiten mit Fotografie, Stadtbücherei Heidelberg

Die Speyer Installation, Arbeiten ohne Fotografie, Künstlerbund Speyer

Kunst in der Filzfabrik, Speyer.

2007 FAMOUS FACES, Galerie Braus, Heidelberg

HeymArt, Rathausgalerie, Hirschberg

2008 Die Autonomie der Dinge, Forum für Fotografie, Köln

TRANS, Zephyr – Raum für Fotografie, Mannheim

 

 

Arbeiten in öffentlichen Sammlungen

 

Amsterdam: Polaroid-Sammlung, Rochester USA: Kodak-Eastman House

Hamburg: Museum für Kunst und Gewerbe

Lausanne: Polaroid-Sammlung im Musée d‘Elisée

San Paulo: Pinacoteca do Estado

Köln: Sammlung Gruber im Museum Ludwig,

Paris: Centre George Pompidou und Bibliothèque Nationale de France

Bonn: Rheinisches Landesmuseum.

Mannheim: Kunsthalle Mannheim

Heilbronn: Städtische Museen Heilbronn.

Erlangen: Städtische Galerie Erlangen.

 

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