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Paolo Woods

Walk on my eyes

 

05.11. - 18.12.2011

 

„Wandle auf meinen Augen“ – dieser sogenannte Tarouf ist eine der vielen blumigen Redensarten, mit denen die Iraner ihren Mitmenschen gegenüber Ehrerbietung und Respekt ausdrücken; er ist eine Floskel, die „Höflichkeit und Heuchelei in den Rang eines Kunstwerks erhebt“ (Serge Michel).

 

Als Mahmoud Ahmadinejad 2005 zum iranischen Präsidenten gewählt wird, beginnen der Fotograf Paolo Woods und der Schweizer Journalist Serge Michel ein Buchprojekt, für das sie, abseits des Politischen, dem Zusammenhang zwischen Islam und Glück im Iran nachspüren. Es entsteht das Werk „Walk on my eyes“, ein fotografisches und sprachliches Porträt von iranischen Bürgerinnen und Bürgern, das von den vielen Gesichtern der iranischen Gesellschaft erzählt, das auf die krassen Widersprüche zwischen Tradition und Moderne und auf die Dialektik von Schein und Sein blickt.

 

Die Fotografien und Texte geben einen spannenden Einblick in eine Gesellschaft, die sich weit vielstimmiger und menschlicher zeigt, als es die Stereotypen gemeinhin vermitteln, die einerseits von der iranischen Regierung selbst seit der Islamischen Revolution propagiert werden und andererseits in der Weltöffentlichkeit vorherrschen, vor allem der westlichen. Paolo Woods und Serge Michel befragten einzelne Bürger über ihren Alltag, das Glück und andere Befindlichkeiten und zeigen, dass es trotz sozialer Diskriminierung, politischer Repression und religiösem Fundamentalismus ein ganz normales, also auch glückliches Leben im Iran gibt, das sich so sehr nicht unterscheidet von dem in anderen Ländern. Glück bedeutet für die Iraner vor allem Familie, Kultur und, speziell für die Frauen, die Freiheiten, die sie sich abseits rigider Gesetze und islamischer Gebräuche im Privaten erlauben (können).

 

Paolo Woods und Serge Michel blicken mitten in einer politisch turbulenten Zeit – die Entstehung der Grünen Opposition und deren massiven Proteste angesichts der „Wiederwahl“ Ahmadinejads im Juni 2009 beispielsweise – absichtlich auf das für die Iraner unspektakuläre, für das Team jedoch immer wieder überraschende Alltägliche und grenzen sich damit ab vom klassischen Fotojournalismus, der sich vornehmlich für das Leid, für Unterdrückung und Gewalt interessiert. Sie sind sich dessen bewusst, dass diese „bad news“ nur ein Ausschnitt der komplexen Realität sind, bloß ein Aspekt des Lebens neben vielen anderen, ohne die das Bild eines Landes wie der Iran einseitig verkürzt oder schlicht falsch ist. Stets wiederkehrende „Leid-Bilder“ fördern nicht nur das Klischee, sondern erschweren es auch, die Realität in all ihren Facetten zu erfassen.

 

Die klare und unaufgeregte Sprache des Fotografen Paolo Woods reizt nicht zu schneller Aufmerksamkeit, sondern lädt den Betrachter ein, zu verweilen und Details in den Aufnahmen zu entdecken, die ihm einen Blick auf die iranische Lebenswirklichkeit erlauben, den er in dieser Art vielleicht kaum oder gar nicht kennt.

 

Ergänzend zu der fotografischen Porträtserie von Woods wird das Forum für Fotografie in einer Lesung ausgewählte Texte von Serge Michel präsentieren, der sagt: „Seine [Woods] Fotos sollten auf keinen Fall einfach meine Worte bebildern und meine Texte sollten nicht nur erweiterte Bildlegenden werden“. So ist das Buch, dessen deutsche Ausgabe den Titel „Land des Lachens – Land der Tränen: die vielen Gesichter des Iran. Ein Porträt“ trägt, eine Monografie und kein klassisches Fotobuch.

Estella Kühmstedt

 

Paolo Woods, 1970 in Amsterdam geboren, wächst als Sohn einer holländischen Mutter und eines kanadischen Vaters in Italien auf. In Florenz gründet er eine eigene Fotogalerie und widmet sich zunächst der Kunst- und Modefotografie. Seine Werke erscheinen in zahlreichen internationalen Magazinen, darunter Time, Newsweek, Le Monde und Geo.

 

Ende der neunziger Jahre lernt er den Magnum-Fotografen Paolo Pellegrin kennen und begleitet diesen in den Kosovo. Von dort aus reist Woods nach Albanien und andere Länder für eine erste Fotoreportage („Un Monde de Brut“). Seither konzentriert Woods seine Arbeit auf Langzeit-Projekte wie „Chinafrique“ und „American Chaos“, die er stets zusammen mit dem Schweizer Journalisten Serge Michel realisiert und die beide rund um den Globus führen. Paolo Woods lebt und arbeitet in Haiti.

 

© Paolo Woods/INSTITUTE

 

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