yesterday_s_treasures

 

Joe Goode, Ed Ruscha, Yesterday's Treasures, 1989 © Joe Goode, Ed Ruscha, courtesy Galerie Thomas Zander

JOE GOODE / ED RUSCHA

YESTERDAY’S TREASURESTITEL

 

23. November 2019 - 19. Februar 2020

 

Einführung: Dr. Stefan Gronert, Sprengel Museum Hannover Öffnungszeiten: Di-Fr 11-18 Uhr, Sa 12-18 Uhr und nach Vereinbarung


Die Galerie Thomas Zander freut sich besonders, in ihrer aktuellen Dialogreihe Joe Goode und Ed Ruscha erstmals in Europa in einer Doppelausstellung zu präsentieren. Die Ausstellung versammelt Werke aus sechs Jahrzehnten, darunter Fotografien und fotobasierte Werke, Gemälde, Papierarbeiten und Künstlerbücher. Mit unterschiedlichen, unkonventionellen Zugängen zu diesen Medien haben beide Künstler die Entwicklung der Kunstszene Kaliforniens nachhaltig mitgeprägt. Bereits vor Beginn ihrer künstlerischen Laufbahn besuchten Goode und Ruscha dieselbe High School in Oklahoma und gingen anschließend ans Chouinard Art Institute nach Los Angeles, wo beide heute leben. Neben Andy Warhol und Roy Lichtenstein nahmen sie 1962 an der bahnbrechenden Gruppenausstellung New Painting of Common Objects im Pasadena Art Museum teil. Die Schau ging als erste museale Pop Art Ausstellung der USA in die Geschichte ein. Sie wurde von Walter Hopps kuratiert, dem Mitbegründer der Ferus Gallery, in der sich die sogenannte Cool School um Goode und Ruscha formierte. In Abwendung vom abstrakten Expressionismus widmete sich die junge Künstlergruppe den visuellen Erfahrungen ihrer Umgebung: Licht und Dunstschleier, transparente, reflektierende Oberflächen, Kunststoffe und Alltagsobjekte, kommerzielle Kultur.

 

Joe Goode (*1937 Oklahoma City) ist Vertreter der Light and Space Bewegung und setzt sich intensiv mit der Erfahrung des Sehens auseinander. Seine Arbeiten durchbrechen die Konvention des zweidimensionalen Bildraums und hinterfragen die Authentizität von Erfahrung zwischen Repräsentation und Abstraktion. In seinen frühen Milk Bottle Paintings etwa stellt Goode Milchflaschen vor Farbfeldgemälde und überträgt deren Schatten auf die Leinwand. So wird die Materialität der Kunstwerke bewusst und der atmosphärische Pathos ausgehebelt. Die Milchflasche ist innerhalb seines Œuvres zur Ikone geworden und tritt bis in aktuelle Arbeiten, wie einem wandfüllenden Triptychon in Primärfarben von 2018, in Erscheinung. Die bedeutende Gruppe der Wolkenbilder führt Goodes vielschichtige Untersuchung fort. In drei Serien geht sie der Frage nach Transparenz oder Durchsicht konsequent nach. Das frühe Triptychon Photo Clouds (1967-69) lässt den Betrachter wie durch ein Fenster auf den Himmel blicken, über den jedoch zwei kleine gemalte Wolkenfotos geweht werden. In den Torn Clouds (1970-76) sind Stücke aus der Leinwand geschnitten, um darunter eine zweite bemalte Himmelsebene freizulegen. Die Vandalized Clouds (197175) schließlich offenbaren radikal den Blick auf den nackten Untergrund und stellen Elemente der Zerstörung in den Vordergrund, die in Goodes Werk immer wieder auftauchen sollen. Beschäftigt er sich in den Gemälden mit Transparenz und Sichtebenen, Begriffe, die vermeintlich der Fotografie zugeschrieben werden, so wenden seine jüngsten fotobasierten Arbeiten diese ins Gegenteil. In den gezeigten Serien Burn Out und Jose’s Travels montiert Goode jeweils zwei Schwarzweißfotos und lässt ausschnitthafte Doppelperspektiven entstehen. In Shattered Milk Bottle und Travelogue wird der Fotoabzug mit farblos-milchigem Acrylgel bearbeitet, so dass transluzide oder opake plastische Schichten die Fotografie überlagern. Ihre Objekthaftigkeit wird – wie bei Goodes Leinwänden – einmal mehr analytisch sichtbar gemacht und im Gegenüber vom Betrachter erfahren.

 

Ed Ruscha (*1937 Omaha, Nebraska) gilt als einer der unkonventionellsten und zugleich einflussreichsten zeitgenössischen Künstler. Entzieht sich Ruschas Stil auch einer eindeutigen Zuordnung zu Pop- oder Konzeptkunst, so attestierte ihm Schriftsteller J.G. Ballard einmal schlicht den „coolest gaze in American art“. Prägend für Ruschas Werk war die Lebenswelt der Westküste der 1950er und ’60er Jahre: Phänomene der Massenkultur, die Mythen von Hollywood und vom Highway. Inspiriert durch die Fotografien von Walker Evans und Robert Frank, begann er seine eigene Art von fotografischem Reisebericht, indem er auf seinen Autofahrten zwischen Oklahoma und Los Angeles Schnappschüsse von Tankstellen machte. Im Eigenverlag veröffentlichte Ruscha 1962 das erste seiner lakonischen Künstlerbücher Twentysix Gasoline Stations. Ein erweiterter, 50-teiliger Satz der Fotos wird in der Ausstellung erstmalig präsentiert. In darauffolgenden Fotoserien erhebt Ruscha prosaische Motive wie Hausdächer, Apartmenthäuser, Parkplätze und den Sunset Strip in Los Angeles zum Sujet und hält sie in fast beiläufiger Manier fest. Die als Fotografien und Künstlerbücher ausgestellten topografischen Aufnahmen beeinflussen die konzeptuelle Fotografie bis heute maßgebend. Anders als Goode schätzt Ruscha die nüchterne Faktizität von Fotografien und produziert im Gegensatz zu vielen Zeitgenossen keine Mixed Media Werke.

 

Ab 1969 experimentiert Ruscha bei der Herstellung von Drucken mit unüblichen Materialien wie Säften, Blut oder Schießpulver. Dabei entsteht u.a. das Portfolio Stains, das Flecken unterschiedlichen Ursprungs inventarisiert. Auch sein visueller Einsatz von Schrift in Spannung zum malerischen Bildhintergrund ist wegweisend und reflektiert die allgegenwärtige Werbung als Fakt in der Landschaft. In den 1980er Jahren malt Ruscha neben textüberlagerten Nachtbildern der Stadt auch Werke in Schwarzweiß- und Sepiatönen mit mystisch verschwommenen Motiven, die an klassische Hollywoodfilme erinnern. Geschwärzte oder weiße Streifen in den ausgestellten Arbeiten scheinen hier wie durch Zensur die Abwesenheit von Schrift zu markieren. Minimalistische Bilder von Ziffernblättern in Nahsicht setzen seine Vorliebe für Typografie fort. So entwickelt auch Ruscha seine Auseinandersetzung mit Landschaft und Kultur Kaliforniens mediale Grenzen überschreitend weiter. Die gemeinsame Lithografie Yesterday’s Treasures (1989), die der Ausstellung ihren Titel gibt, verbindet unverkennbar Goodes abstrakte Wolkenlandschaft in milchigem Weiß und tiefem Blau mit Ruschas ironischnostalgischem Kommentar. Diese fein pointierte Zusammenarbeit birgt in sich die Spannungen der vielfältigen Referenzen und heterogenen Erfahrungsbereiche, von und in denen die Kunst von Joe Goode und Ed Ruscha lebt.

 

Die Ausstellung ist in den Räumen der Galerie und im angrenzenden Forum für Fotografie zu sehen. Ein Katalog erscheint im Verlag der Buchhandlung Walther König.

 

 

 

 

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