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Mu chen & Shao Yinong

Assembly Halls - "MI"-Serie

 

01.09. - 28.10.2012

 

 

Die zwischen 2002 und 2004 entstandene serielle Fotoarbeit des Künstler- und Ehepaares Mu Chen und Shao Yinong zeigt ehemalige Versammlungsräume, die während der Kulturrevolution (1966-1976) für Propagandaveranstaltungen genutzt wurden. Die in ihrem gegenwärtigen Zustand - stets frontal und menschenleer – dokumentierten Räume werden durch dieses Projekt zu Zeitzeugen des gesellschaftlichen Wandels in China und rufen subjektive wie kollektive Erinnerungen an eine unerfreuliche Ära der jüngeren chinesischen Geschichte wach.

 

Bis 1976 waren die Räume, die den Bildgegenstand der Serie „Assembly Halls“ ausmachen, zentrale Orte der kulturrevolutionären Bewegung, an denen propagiert, indoktriniert, denunziert, gedemütigt und „Selbstkritik“ geübt wurde. Einige der abgebildeten Versammlungsräume sind detailgetreu rekonstruiert oder zeugen durch Relikte wie politische Wandbehänge und -Parolen noch immer von der Vergangenheit; andere Säle sind längst zu modernen Gaststätten, Theatern, Cafés, Bars, Schulzimmern oder Tempeln umfunktioniert worden. Schließlich finden sich in der Fotoserie auch leerstehende, dem Verfall anheimgegebene oder völlig „ruinierte“ Versammlungsstätten abgebildet, in denen keine oder kaum noch Spuren ihres historischen Nutzens auszumachen sind.

 

Entstanden ist die „Assembly Hall“- Serie im Rahmen des von dem chinesischen Künstler und Kurator Lu Jie 2002 initiierten „Long March Projects“, dem sich neben vielen nationalen und internationalen Kulturschaffenden auch Mu Chen und Shao Yinong anschlossen. Auf der Suche nach den historischen Bezügen in Kunst und Kultur bzw. nach der gesellschaftlichen Funktion von Kunst, insbesondere der chinesischen Avantgarde-Kunst, fanden an ausgewählten Stationen der legendären Marschroute Ausstellungen und andere Veranstaltungen statt, die zur Auseinandersetzung über Kunst, Kultur und Geschichte aus lokaler, nationaler und internationaler Perspektive aufforderten.

 

Seit der Jahrtausendwende arbeiten der Maler Shao Yinong und die studierte Fotojournalistin Mu Chen zusammen. „Assembly Halls“ ist ihr bekanntestes Projekt, das auf der Shanghai-Biennale 2004 als herausragende chinesische Arbeit galt.

 

Noch während der Realisierung der „Assembly Halls“ begannen Mu Chen und Shao Yinong mit der Arbeit an der „Mi“-Serie. Diese Serie des Künstlerpaars zeigt Installationen an Gebäuden, welche ebenfalls eine Bildkultur der Erinnerung visualisieren. Während der Kulturrevolution wurden die Fenster von unzähligen Gebäuden mit x-förmig angebrachten Klebstreifen armiert, um die Menschen vor herumfliegende n Splittern bei den angeblich kurz bevorstehenden Bombenangriffen der Kapitalisten zu schützen. Diese Propagandamaßnahme führte dazu, dass auf den Fenstern mit dem Schriftzeichen X das Wort „Mi“ (Reis) zu lesen war. Angesichts der schlechten Nahrungsversorgung rief dies ungewollt provokativ den Gedanken an eine politische Demonstration hervor. Die „Mi“-Serie beleuchtet nicht die am Architekturfragment ablesbare Historie, vielmehr reinszeniert sie den architektonischen Eingriff mittels des aus der Zeit der Kulturrevolution überlieferten Materials: Im Sinne einer Installation versahen Mu Chen und Shao Yinong die Fenster historischer Gebäude erneut mit weißen Bändern und hielten sie in nüchternen Außenaufnahmen fotografisch fest. Die performativ angelegte küstlerische Werkstrategie stellt sich somit als Rekonstruktion der politischideologisch motivierten Ereignisse dar. Die von den Künstlern in ihrer eigenen Kindheit als surreal-poetische Realitätsverfremdung erlebten politischen Ereignisse werden durch den Prozess der künstlerischen Wiederaufarbeitung für die heutige Generation nachvollziehbar.

 

 

Kulturrevolution:

 

Ende 1965 leitete Mao Zedong mit seinen Anhängern in der Führung der Kommunistischen Partei Chinas die Große Proletarische Kulturrevolution mit dem Ziel ein, seine schwindende Macht wieder zu festigen und der drohenden bürokratischen Erstarrung des Parteiund Staatsapparates Einhalt zu gebieten. Der radikale Feldzug gegen die „bürgerlich-reaktionäre Linie“, zu deren Durchführung die überwiegend aus Jugendlichen und Studenten bestehenden berüchtigten Roten Garden geschaffen wurden, richtete sich insbesondere gegen Funktionäre und Intellektuelle, die millionenfach amtsenthoben, gedemütigt, gefoltert und zu Hunderttausenden ermordet wurden. Im Zuge der systematischen Vernichtung der „vier Alten“ (der alten Ideen, Kulturen, Gewohnheiten und Sitten) wurden zahlreiche Kulturdenkmäler zerstört. Die zunehmend außer Kontrolle geratene Bewegung fand 1969 mit der Niederschlagung der Roten Garden durch die Armee einen vorläufigen Endpunkt. Dennoch blieben viele ihrer Wesenszüge noch bis Maos Tod 1976 bestehen. Erst dann distanzierte sich die Führung der Kommunistischen Partei Chinas endgültig von der Kulturrevolution, die eine weitgehend zerstörte und traumatisierte Bildungsschicht hinterlassen hatte und die von der KPCh später als Fehler bewertet wurde.

 

 

Vita

Der Maler Shao Yinong, 1961 in Xining in der Provinz Qinghai geboren, studierte an der Qinghai Normal University. Mu Chen, geboren 1970 in Dandong in der Provinz Liaoning, studierte Fotojournalismus an der People’s University of China. Seit 2000 arbeitet das Ehepaar zusammen: Assembly Halls ist nach Family Register (2000) und Childhood Memento (2001) ihre dritte gemeinsame Arbeit; sie ist Teil des Long March Projects (2002) und wurde in Einzelausstellungen an der Michael Goedhuis Gallery in New York (2004) und an der 10 Chancery Lane Gallery in Hongkong (2005) präsentiert. Zu den aktuellen Arbeiten der Künstler zählen Banknoten-Wandteppiche, die 2011 auf der Biennale in Singapur ausgestellt waren. Shao Yinong und Mu Chen leben in Beijing.

 

 

Fotografien: © Mu Chen, Shao Yinong

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