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Perry Kretz

Reportagefotografie

 

25. April  - 22. Juni 2003

Eine Gastausstellung des Hamburger Magazins stern

 

 

Während des Krieges herrscht an Bildern kein Mangel, so scheint es. CNN oder n-tv versorgen uns rund um die Uhr mit neuesten Berichten. Doch ist der rundum berieselte Kriegs-Zuschauer heute besser informiert als zu den Zeiten, da die Live-Berichterstattung vom Schlachtfeld noch nicht möglich war? Kommen die Journalisten der Wahrheit heute näher, weil sie nun „embedded“ sind, anstatt auf eigene Faust und unabhängig von den Militärs zu recherchieren? Wissen wir heute schneller mehr über den Irak-Krieg als vergangene Generationen über den Zweiten Weltkrieg oder den Vietnam-Krieg? Und welche Risiken gehen Journalisten ein, um so ehrlich wie möglich zu berichten?

 

Wenige deutsche Journalisten können über diese Frage so authentisch Auskunft geben wie der Fotoreporter Perry Kretz. Der Deutsch-Amerikaner wurde 1933 in Köln geboren. Als gelernter Schriftsetzer ging er 1950 in die USA. Dort besuchte er das Hunter College und belegte Kurse für Journalismus an der New York University. 1953 trat er in die US-Armee ein und wurde amerikanischer Staatsbürger. In New York arbeitete Perry Kretz für die „New York Post“ und die englische Agentur „Keystone“, kurzzeitig auch als Polizeireporter. 1969 kam er zum stern und machte sich bald einen Namen als Spezialist für brisante Berichterstattung aus Südamerika und den USA. Kretz fotografierte für den stern den ersten Golfkrieg ebenso wie die Bürgerkriege in Liberia, Ruanda und der heutigen Republik Kongo. In diesen Tagen wird er aus dem Irak zurückkehren, wo er als „eingebetteter Reporter“ unmittelbarer Augenzeuge der Kriegshandlungen wurde.

 

Das Werk dieses mutigen und engagierten Fotoreporters zeigt die retrospektiv angelegte stern-Ausstellung im Forum für Zeitgenössische Fotografie. Herausgelöst aus dem redaktionellen Kontext des Magazins entfalten die einzelnen Aufnahmen ihr informatives Potenzial und veranschaulichen zugleich die visuelle Gestaltungskraft des Fotografen. Die Ausstellung versteht sich nicht nur als Bilderschau, sondern auch als Beitrag zur aktuellen kritischen Diskussion über den Wahrheitsgehalt und die Ethik von Bildberichten aus Kriegs- und Krisengebieten.

 

Die Arbeit von Perry Kretz wurde zweimal mit einem World Press-Photo-Preis ausgezeichnet. Zu seinen großen Reportagen zählen u.a. „Die Hölle von St. Quentin“, „Der Krieg der Sierra Madre“ und „Die kleinen Banditen von Bogotà“. Für die „New York Street Gangs“ erhielt er den 3. Preis von World Press. Seine Dokumentation über den Krieg in Nicaragua wurde in dem Bildband „Barfuß zum Sieg“ veröffentlicht.

 

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Vortragsabende:

Mittwoch, 11. Juni 2003, 19 Uhr

„James Nachtwey in Baghdad“ - Vortrag von Otto Karl Werckmeister

In der heutigen Kriegsfotografie sind Bildbericht und Stellungnahme weit auseinander getreten, ja polarisiert. Sie verhalten sich zueinander wie Behauptung und Kritik. Ich werde das an dem Fotografen James Nachtwey zu erläutern versuchen, der zwischen 1986 und 2001 der Magnum-Agentur angehörte, bis er schließlich das öffentliche Prestige des “größten Kriegsfotografen unserer Zeit” errang. Frank Capa, Mitbegründer der Magnum-Agentur, war der erste Träger eines solchen Ehrentitels. An der historischen Distanz zwischen Nachtwey und Capa lässt sich ermessen, was sich in der Zwischenzeit geändert hat.

 

 

Otto Karl Werckmeister (1934) lebt nach langjähriger Lehrtätigkeit an der University of California in Los Angeles und an der Northwestern University in Evanston, Illinois, seit 2001 wieder in Berlin. Sein letztes Buch: "Linke Ikonen", München, 1997. In Vorbereitung: "Der Medusa-Effekt: Bildstrategien seit dem 11. September" und "The Political Confrontation of the Arts: From the Great Depression to the Second World War".

 

 

Montag, 16. Juni 2003, 19 Uhr

"Rasterpunkte bluten nicht“ - oder das neue Bild des Krieges - Vortrag von Markus Lohoff

Die Bildberichterstattung über den Zweiten Persischen Golfkrieg zeichnete sich durch interessengeleitete Inszenierung und wirkungsorientierte Medien-gestaltung aus. Dabei waren es weniger Aufnahmen, die durch Stromlinien- und Werbeästhetik das Bild eines sauberen Krieges in den Köpfen der Zuschauer etablierten, sondern die Raketen- und Cockpitbilder alliierter Kampfflieger, die Luftangriffe auf irakische Einrichtungen dokumentieren. Mit diesen technischen Bildern des Krieges trat ein Stereotyp in Erscheinung, der weitgehend unmodifiziert bis heute Bestand hat: das Bild eines mit höchster Präzision geführten High-Tech-Krieges, in dem menschliches Leiden keine Rolle zu spielen scheint.

 

Markus Lohoff (1968), Studium der Kunstgeschichte, Komparatistik, Deutschen Philologie und Neueren Deutschen Literaturgeschichte an der RWTH Aachen, 2000-2001 Graduiertenstipendium des Landes NRW zur Förderung der Promotion. 2001 Lehrbeauftragter am Institut für Kunstgeschichte der RWTH Aachen, 2001-2002 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kunstgeschichte der RWTH Aachen, seit 2002 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kunstwissenschaft der Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz. Forschungsgebiet: Ästhetische Dimensionen wissenschaftlicher Bilder.

 

 

„The Unreliable Witness“: Aktuelle Positionen künstlerischer Fotografie zum Krieg - Vortrag von Agnes Matthias

In der zeitgenössischen künstlerischen Fotografie sind Strategien der Fiktionalisierung eines Mediums in den Vordergrund gerückt, das im Alltags-gebrauch als Instrument der Wirklichkeitsaufzeichnung rezipiert wird. Der Gegenstandsbereich Krieg eignet sich in besonderer Weise dazu, Fotografie als ein Instrument der Erzeugung von Faktizität zu untersuchen, weil sich die Wirklichkeit von Krieg vielfach als medial vermitteltes Geschehen aus Presse- und Fernsehbildern konstituiert. Von Künstlerinnen und Künstlern wie Willie Doherty, Sophie Ristelhueber oder Paul M. Smith wird Fotografie zur kritischen Reflexion eben dieses Prozesses eingesetzt. In ihren Werken beginnt das Medium zwischen den Polen von Dokument und Nicht-Dokument zu oszillieren, ein interpretatives Feld eröffnend, innerhalb dessen die Betrachter den Status des fotografischen Bildes neu aushandeln müssen.

 

Agnes Matthias (1973), Studium der Kunstgeschichte und Empirischen Kultur-wissenschaft in Tübingen; Wissenschaftliche Angestellte im Sonderforschungsbereich 437: „Kriegserfahrungen – Krieg und Gesellschaft in der Neuzeit“, Universität Tübingen; kunstgeschichtliche Dissertation zum Thema „Fotografie und Krieg. Visualisierungsstrategien in der künstlerischen Fotografie der Gegenwart“.

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