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Hermann Consten

Bilder aus der Ferne: Historische Fotografien des Mongoleiforschers

 

17. Juni - 28. August 2005

 

 

Das Forum für Fotografie in Köln zeigt bislang unbekannte Fotografien des deutschen Expeditionsreisenden und Mongoleiforschers Hermann Consten (1878-1957). Consten, Autor des zweibändigen Werks "Weideplätze der Mongolen" (Berlin 1919/20), hat in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts mehrere Expeditionen in die Mongolei unternommen. Seine letzte Forschungsreise sollte ihn 1928/29 von China aus zu den Mongolen führen.

 

Aus einem Gesamtbestand von fast 3.000 Fotografien wurden rund 100 Schwarz-Weiß-Aufnahmen von jener letzten Reise für die Ausstellung ausgewählt. Sie werden erstmals öffentlich gezeigt. Zu sehen sind einmalige Zeitdokumente aus den von politischen Wirren heimgesuchten Grenzregionen zwischen Innerer und Äußerer Mongolei, darunter Szenen aus dem Alltag einer kleinen mongolischen Grenzstation, in der Consten im eiskalten Winter 1928/29 mehrere Monate lang festgehalten wurde, ferner Begegnungen mit Menschen am Wege - Bauern, Händler, Nomaden und Arbeiter, Soldaten und Lamas. Und schließlich hielt Consten die durch die Einführung des Sozialismus bewirkten Veränderungen in der mongolischen Hauptstadt Ulan Bator mit seiner Kamera fest. Expeditions-, Tier- und Landschaftsaufnahmen, Ansichten von Klöstern und Tempeln runden die Ausstellung ab.

 

Die gezeigten Bilder sind zugleich auch Dokumente eines Scheiterns. Denn für Consten persönlich endete die Expeditionsreise mit einem Desaster: dem Tod seiner Kamelkarawane, seiner eigenen Verhaftung, monatelanger Gefangenschaft und schließlich mit seiner Ausweisung aus der Mongolischen Volksrepublik. Das Ausstellungsprojekt wird von der Deutsch-Mongolischen Gesellschaft e.V. (Bonn) in Zusammenarbeit mit dem Forum für Fotografie (Köln) betreut.

 

Hermann Joseph Theodor Consten kommt am 14. März 1878 in Aachen als Sohn eines wohlhabenden Brennereibesitzers zur Welt. Nach Schuljahren in Aachen und Friedrichsdorf/Hessen schreibt sich Consten als Hörer im Fach Architektur an der TH Aachen ein, wechselt nach zwei Semestern nach Karlsruhe und setzt dort sein Studium fort, allerdings ohne einen Abschluss zu erlangen. 1899/1900 wechselt Consten zur Deutschen Kolonialschule in Witzenhausen, auf der landwirtschaftliche Führungskräfte für den Einsatz in den deutschen Kolonien vorbereitet werden. Im September 1900 erhält er sein Abschlusszeugnis. Consten bricht nach Ostafrika auf, wo er in einer Pflanzung in Kwamkuju als Assistent arbeitet. Anschließend übernimmt er Verwalteraufgaben auf der Rheinischen Handei-Plantage, einer Kaffeefarm, die von dem Diplomaten und Forscher Max von Oppenheim gegründet wurde. 1905 kehrt er wegen einer Malaria-Erkrankung nach Deutschland zurück. Er zieht im gleichen Jahr nach Moskau, lernt Russisch und beginnt ein Studium am Lazarev-Institut, wo er vermutlich erste Grundkenntnisse der mongolischen Sprache sowie der Ethnographie und Geographie der mongolischen Völker erwirbt. Er wird Mitglied der Kaiserlich Russischen Geographischen Gesellschaft.

 

1907 bricht Consten zu seiner ersten Mongolei-Expedition auf, der bis 1913 weitere folgen. Constens Expeditionen gelten vor allem dem Gebiet der Chalcha-Mongolen in der Äußeren Mongolei, wo er u.a. in russischem Auftrag umfangreiche Landvermessungen vornimmt und eine ethnologische Sammlung anlegt. Darüber hinaus knüpft er Kontakte zu führenden politischen und religiösen Persönlichkeiten der Mongolei, die ihn mit Beratungs- und Emissärsaufgaben betrauen, er unterhält aber auch gute Beziehungen zu chinesischen Kaufleuten. 1911 erlebt Consten nach dem Sturz der Qing-Dynastie in China die Kämpfe der Mongolen für ihre staatliche Unabhängigkeit, vor allem die blutigen Auseinandersetzungen rund um die Stadt Khovd. Im selben Jahr werden ihm durch den Gouverneur von Hovd und Uljasutai, Zezen Beise, Titel und Insignien eines Gung (vergleichbar unserem Grafentitel) verliehen.

 

Durch engen Kontakt zu den Menschen und ihrem täglichen Leben erhält Consten Einblick in viele Facetten des mongolischen Alltags. Besonders intensiv studiert er die mongolische Ausformung des buddhistischen Lamaismus. Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs kehrt Consten über Moskau nach Deutschland zurück. Die Kriegsjahre 1914/1918 verbringt Consten in geheimer Mission in der Türkei und Ungarn.

 

Constens Buch "Weideplätze der Mongolen" erscheint 1919/20 mit vielen Abbildungen bei Reimer in Berlin. Anfang der zwanziger Jahre läßt sich Consten als Privatgelehrter in Bad Blankenburg/Thüringen nieder. Er unternimmt ausgedehnte Vortragsreisen im gesamten deutsprachigen Raum und veröffentlicht mehrere Mongolei-Romane. Seine Wohnung wird zum Treffpunkt prominenter Asienforscher, darunter Sven Hedin.

 

1925 empfängt Consten den mongolischen Erziehungsminister Erdene Batchaan in Bad Blankenburg. 1927 reist er nach Ost- und Zentralasien mit dem Plan einer weiteren Mongolei-Expedition. Auf Ceylon begegnet er Albert Grünwedel, reist weiter nach China. Politische Wirren und Versorgungsschwierigkeiten verzögern den Aufbruch der Expedition in die Mongolei; ein früher Wintereinbruch 1928/29 bringt zusätzliche Behinderungen. Unmittelbar hinter der mongolischen Grenze wird Consten verhaftet und monatelang in eisiger Kälte festgehalten, bis ihm die Weiterreise nach Ulan Bator gestattet wird. Von dort wird er im April 1929 nach China abgeschoben.

 

1929-1950 lebt Consten am Stadtrand von Peking und verdient seinen Lebensunterhalt mit einem Reitstall. Nebenbei verfasst er wissenschaftliche Aufsätze über Kultur und Religion der Mongolen, u.a. für die Zeitschrift XXth Century (Herausgeber: Klaus Mehnert). Er sammelt Kunstgegenstände und mongolische Landkarten und plant die Veröffentlichung einer Mongolischen Grammatik und einer Encyclopedia Mongolica. 1936 heiratet Consten die China- und Japanspezialistin Eleanor von Erdberg. 1950 kehren beide aus dem maoistischen China nach Deutschland zurück und lassen sich in seiner Heimatstadt Aachen nieder. Am 4. August 1957 stirbt Consten in Aachen.

 

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