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fragment. romantik

Ausstellung Bielefelder Fotografie-Studierender

 

1. März - 11. April 2008

 

 

Vor rund 200 Jahren forderte der Dichter Novalis: "Die Welt muss romantisiert werden". Er meinte damit ein "Hinaufstimmen" kraft der eigenen Phantasie, um die Zumutungen seiner Gegenwart aushalten zu können. Seither hat das "Romantische" meist in schlechten oder unsicheren Zeiten Konjunktur – und zwar bis heute, was im vergangenen Jahr Rüdiger Safranski mit seiner Studie zur Romantik als einer "deutschen Affäre" nachwies.

 

Am Fachbereich Gestaltung der FH Bielefeld beschäftigten Absolventen der Studienrichtung Fotografie unter der Leitung von Prof. Roman Bezjak Dokumentarfotografie) und Prof. Dr. Anna Zika (Theorie der Gestaltung) zwei Semester lang mit theoretischen Positionen der historischen Romantik und der Aktualität des Romantischen. Ausgewählte bildnerische Ergebnisse des Seminars werden ab dem 1. März unter dem Titel „fragment.romantik“ im Forum für Fotografie, Köln zu sehen sein.

 

Die sehr unterschiedlichen Positionen kreisen um Themenkomplexe wie Naturerfahrung oder seelische Befindlichkeit, und auch die Aspekte der Schauerromantik kommen nicht zu kurz. Dass die deutsche Romantik ursprünglich und zunächst eine literarische Bewegung war, wird u.a. in der Werkgruppe von Milena Carstens deutlich: Sie visualisierte das Genre des Kunstmärchens auf den Spuren romantischer Dichter, die das Wunderbare und das Fantastische in die Wirklichkeit des Alltags zu integrieren versuchten.

Sabrina Dirkwinkel übertrug Motive von Eichendorffs Mondgedichten ins Lichtbild. Als Maler wie Caspar David Friedrich damit begannen, die poetischen Programmatiken der Zeitgenossen wie Brentano oder Arnim in bildende Kunst zu transformieren, war das "Romantische" als Wahrnehmungskategorie und innere Haltung in der Theorie längst entwickelt.

Melanie Vogel aktualisierte in ihrer mehrteiligen Arbeit die Frage nach Bewertungskriterien und entwickelte eine changierende Ästhetik am Umschlagpunkt von Romantik und Nicht-Romantik;

Stephan Sasek schoss seine Serie "Dioramen" in den Schaukästen deutscher Naturkundemuseen, wo Fuchs und Hase sich in pittoresker Kunstnatur gute Nacht sagen;

Dominik Dupont vergrößerte Fotos von Waldschäden, die nach den Stürmen des letzten Winters entstanden waren, zu dräuenden Tableaux von erhabener Wirkung.

Besondere Aufmerksamkeit fand die "Romantik" als geistige und spirituelle Haltung, die durchaus von Irrationalität sein kann. Beispielsweise folgte

Verena Brüning modernen Stadtbewohnern an deren persönliche Rückzugsorte in der scheinbar "freien" und unberührten Natur;

Agotha Vincze verarbeitete historische Familienporträts zu einer empfindsamen Studie über romantische Bindungen.

Alexander Gehring untersuchte in surrealistischen Porträts den Zustand völliger Entwirklichung während des Schlafs als einer Phase, in der alle Gesetze rationalen Denkens außer Kraft gesetzt sind – "Hypnos" erscheint als überirdische Daseinsform zwischen Unterbewusstsein und Erinnerung im Sinne einer romantischen Weltauffassung;

Christine Skowski porträtierte junge Altersgenossinnen als zugleich sehr weibliche und starke Frauengestalten in selbstbewussten, in sich ruhenden Posen der Emanzipiertheit und des Begehrtseinwollens;

Sarah Berger schuf Seelenlandschaften eigener innerer Zustände, die sie durch fünf verschiedene Frauen verkörpern ließ; dabei bezog sie sich auf ein Zitat des Romantikers E.T.A. Hoffmann: "Die optische Wahrnehmung ist vom Seelenzustand abhängig";

Andreas Neumann widmete sich in seiner Porträtserie der romantischen Auffassung von Freundschaft als Seelen- und Wahlverwandtschaft.

Tina Volzer gab gar Häusern ein Gesicht, die sie bei Nacht fotografierte; die leuchtenden Fenster lassen selbst die Architekturen in einsamen Gegenden auf wunderliche Weise beseelt erscheinen.

Gesche Jäger spürte an den ostwestfälischen Externsteinen spirituelle Treffen verschiedenster Gruppen zwischen Esoterik und Nationalismus auf, die dort die mystische Nacht der Wintersonnenwende feiern; die erhabene Naturkulisse erfüllt klassische Erwartungen des Wildromantischen.

Sonmi-Kyung schließlich realisierte den geheimnisvoll-melancholischen Bann der sogenannten "schwarzen Romantik" in nächtlichen Aufnahmen malerischer Baumkronen.

 

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